Wovon lebt ihr? Wie verdient ihr euer Geld? Seid ihr schon Selbstversorger? Das sind wohl die Fragen, die wir am allermeisten zu hören bekommen.

Nein, wir sind noch keine Selbstversorger und ich kenne auch niemanden, der das zu 100% umsetzt. Die meisten Personen denken bei dem Begriff „Selbstversorgung“ erstmal nur an das Thema Ernährung. Ja, hier kann man schon viel machen, ein laufender Gemüsegarten kann problemlos eine Familie das ganze Jahr über versorgen – in der Vegetationsphase mit frischem Grün und im Winter mit Eingemachtem und Eingelagertem. Es fehlen allerdings noch die vielen anderen Lebensmittel, die viele von uns noch täglich konsumieren – Brot, Milch, Butter, Eier, Fleisch, Öl und womöglich auch mal ein Stückchen Schokolade. Als Vegetarier verkleinert der Verzicht auf Fleisch die Menge der herzustellenden Produkte schonmal um einiges, als Veganer produziert es sich noch leichter. Möchte man nicht auf Fleisch und Milchprodukte verzichten, braucht man einiges mehr an Platz für die Nutztiere. Der alte Spruch „eine Kuh – ein Hektar“ ist nicht übertrieben, wenn man bedenkt, dass Tiere auch im Winter fressen. Zu einer seriös durchgezogenen Selbstversorgung gehört nämlich dann auch die Futtergewinnung für die Tiere, man muss dann beispielsweise für die Kuh Gras schneiden und Heu machen. Bei anderen Produkten wird es schwieriger mit der eigenen Herstellung: Wer nicht gerade die Kapazität für ein größeres Sonnenblumen- oder Kürbisfeld hat, wird ein Problem mit der Ölproduktion bekommen. Das Gleiche gilt für das Korn zum Brot backen. Und bei den sogenannten Luxusgütern wie Schokolade bräuchte es in unseren Breiten noch zusätzlich einen Goldesel für den Bau eines Gewächshauses rund um die Kakaobohnenplantage. Spätestens an diesem Punkt darf man sich also die Frage stellen, was man wirklich braucht/will und für welche Produkte es eventuell in Frage kommende Alternativen gibt.

Des Weiteren wird hier – wenn wir mal die Kakao-bohnenplantage beiseite lassen – der große Vorteil von Familienlandsitz-Siedlungen deutlich: Alle Produkte, für die man größere Flächen benötigt, also beispielsweise für Korn oder Ölfrüchte, aber auch Weideland für Kühe etc. sind sehr viel einfacher anzubauen und zu bewirtschaften, wenn sie zusammen mit Gleichgesinnten genutzt werden. Der Besitz der Fläche, die anfallende Arbeit und die Ernte werden gemeinschaftlich geteilt, so haben alle genug, aber weniger Arbeit. Auch Gerätschaften und Maschinen können so geteilt werden. Der gemeinschaftliche Aspekt würde jedoch ein eigenes Buch an Erfahrungen füllen, in Sachen „gemeinsame Gerätschaften“ nur so viel: Es ist empfehlenswert, sehr sensibel mit diesem Thema umzugehen. Beispielsweise kann es hier schnell zu einem Ungleichgewicht á la „einer hat alles und alle anderen leihen es sich bei ihm“ kommen. Das kann sich zu einer Machtposition des Besitzenden entwickeln, umgekehrt kann er sich aber auch ausgenutzt fühlen, da er Geld für den Kauf der Gerätschaften ausgegeben hat und alle andern davon profitieren. Außerdem entwickeln sich in einem solchen TEAM auch schnell Gepflogenheiten im Sinne von „TEAM = Toll Ein Anderer Macht´s“, denn wenn ein Gerät allen zusammen gehört, fühlt sich häufig keiner verantwortlich. Bei Verschleiß und/oder wenn Geräte kaputt gehen, birgt das ebenfalls großes Konfliktpotential.

Darüber hinaus ist es in Sachen „Selbstversorger“ auch von Belang, wo und wie das Stück Land gelegen ist, auf dem man sich niederlassen möchte. Was passierte auf meinem Stück Land, bevor ich es in Besitz nahm? Die wenigsten Landstücke sind heute noch mit fruchtbarer Erde und einem intakten Mikroklima gesegnet. Das bedeutet, bevor ich wirklich von Erträgen reden kann, steht erst einmal Bodenregeneration, das Anlegen eines Mischwaldes/Heckengürtels, die Regulierung des Wasserhaushaltes usw. an. Das kann mitunter Jahre dauern und erfordert Arbeitseinsatz und Geduld.

Mehr als nur die Hand in den Mund…

Neben dem großen Bereich der Lebensmittelproduktion sind wir jedoch noch an viele weitere Güter gewöhnt, von denen wir meinen, dass wir sie brauchen. Schau dich mal um in deinem Zuhause – was davon könntest du selbst herstellen? Das Thema Kleidung hatten wir weiter oben schon ausführlich, hier bin ich zumindest in der Lage, Anziehsachen und auch Schuhe selbst herzustellen – das Material dafür jedoch nicht. Pflegeprodukte, Arzneimittel, Seife und Putzmittel stelle ich ebenfalls zum Großteil selbst her, Heilkräuter kann ich sammeln, viele weitere Grundzutaten muss ich jedoch von außen beziehen. Ganz generell: was tust du, wenn du krank wirst – wirst du dann angewiesen sein auf einen „Gott in Weiß“ oder wirst du dir selbst helfen können? Auch wenn es „ernst“ wird?

Dein Haus, deine Möbel und solche Dinge kannst du dir gegebenenfalls selbst bauen, woher kommen jedoch das Baumaterial und die Werkzeuge? Wenn du das alles einmal angeschafft hast, was ist, wenn etwas davon kaputt geht? Kannst du es selbst reparieren? Ganz zu schweigen von diversen elektrischen Geräten: Computer, Handy, Küchengeräte… Womöglich hast du ein Hobby, malst du vielleicht gerne? Kannst du Papier schöpfen und Naturfarben herstellen? Hast du einen fahrbaren Untersatz? Womit füllst du den Tank? Womit wäschst du deine Wäsche – vielleicht sagst du jetzt genauso enthusiastisch wie ich im ersten Jahr „von Hand!“ – wirklich? Deine Kleidung wird wahrscheinlich um einiges schmutziger sein, als du es dir jetzt vorstellen kannst – unsere Bau-Kleidung konnten wir buchstäblich hinstellen. In meinem ersten Jahr nisteten sich Mäuse im Kleiderschrank unseres Wohnwagens ein, vielleicht kannst du dir vorstellen, welche olfaktorische Herausforderung unsere Klamotten daraufhin darstellten. Ich habe den Geruch nach Mäusepipi noch heute in der Nase, wenn ich daran zurückdenke… Ich musste alles waschen – alle Kleider, Handtücher und Bettwäsche. Und du kannst mir glauben, Bettwäsche und Frottee-Handtücher sind keine Freude für Handwäscher. Ja, natürlich, es geht, jahrhundertelang wurde per Hand gewaschen. Bedenke jedoch, dass wir alle mit all den sogenannten Annehmlichkeiten der Technik aufgewachsen sind. Unserer Erfahrung nach sind so gut wie alle Aussteiger nach einer ersten Phase der Euphorie in Sachen „einfaches Leben“ froh, wenn sie ihre dreckige Wäsche wieder bei irgendjemandem in die Maschine stopfen dürfen – so auch ich, als mir eine liebe Freundin während unserer Mäusepipi-Plage ihre Maschine zur Verfügung stellte.

Es geht also darum, herauszufinden, was wirklich zum eigenen Leben passt, was man wirklich braucht und womit man sich selbst Freude bereitet. Eine ehrliche Auseinandersetzung mit diesen Fragen bringt meist die vielen kleinen Überflüssigkeiten ans Licht und hilft, die individuellen Grundlagen für eine vernünftige und eigenverantwortliche Versorgung wahr werden zu lassen und realistisch mit den eigenen Grenzen der Selbstversorgung umzugehen. Ich betrachte diese Entwicklung als einen Weg, ein stetiges sich Ent-Wickeln der wirklichen eigenen Bedürfnisse. Auch hier empfinde ich es als zweitrangig, wie schnell man sich auf diesem Weg fortbewegt, solange man in die richtige Richtung geht.

Man kann natürlich sehr streng zu sich sein und sich alles versagen, was nicht unbedingt zum Überleben gebraucht wird, dagegen ist nichts einzuwenden, solange es der ureigenen Individualität und nicht irgendeinem auferlegten Dogma entspricht.

Konkrete Zahlen

Nach 12 Jahren Leben auf dem Familienlandsitz haben wir zurzeit Fixkosten von circa 100 Euro im Monat. Dazu kommen die Kosten für Lebensmittel und alles, was wir uns darüber hinaus noch leisten möchten. Insgesamt beläuft sich unser jährlicher Bedarf auf rund 4000-5000 Euro.

Diese 4000-5000 Euro müssen auch wir genauso verdienen, wie alle anderen auch. Das ist auf mannigfaltige Art und Weise möglich – da sie Summe nicht sonderlich hoch ist, ist es einfacher, sie in kürzerer Zeit zusammen zu bekommen, als wenn man ein „normales“ Leben in der Gesellschaft finanzieren müsste, sodass wir unserem wahren Luxus frönen können: Jede Menge frei einteilbare Zeit. Außerdem wissen wir konkret, wofür wir unser Geld verdienen, denn wir haben uns vorher Gedanken darüber gemacht, was wir wirklich brauchen/wollen – wir entscheiden uns freiwillig für eine bestimmte Art der Arbeit und diese ist immer nur temporär. Dadurch können wir uns entspannter und offener auch solchen Beschäftigungen hingeben, bei denen wir früher vielleicht größere Widerstände gespürt hätten.

Nun fragst du dich als Leser vielleicht, „Jahaaa, aber WAS habt ihr gearbeitet??? Ich kann mir nicht vorstellen, mit was man seinen Lebensunterhalt verdienen soll, wenn man den Schritt in ein neues Leben wagt…“. Hier muss ich dich leider enttäuschen, es gibt nicht die Lösung für alle Aussteiger, du musst herausfinden, was dein ganz eigener Weg ist und dir entspricht. Besinne dich auf deine Talente, Fähigkeiten, Bedürfnisse, Wünsche und „Connections“ (alte und neue Kontakte) – es gibt die Lösung für dich, aber du wirst sie mit Sicherheit nicht durch das Abgucken bei anderen finden. Es tut mir leid, dass ich dir das so hart sagen muss, aber es entspricht unserer Erfahrung.

In diesem Sinne ende ich für heute, auch wenn das Ende des Artikels nun ein wenig abrupt erscheint – der Text ist ein Auszug aus einem kleinen Büchlein über unsere ersten Schritte in ein selbstbestimmtes Leben, welches wir vor Kurzem herausgegeben haben. Dort gehen wir auf das Thema Geld noch näher ein, hier würde es den Rahmen sprengen. Zur Inspiration listen wir dir dort auf, was uns als Jobs bei sogenannten Aussteigern schon begegnet ist – dabei ist sowohl das, was wir selbst schon gemacht haben, als auch Beschäftigungen, denen Nachbarn, Freunde und Bekannte nachgegangen sind. Wenn du daran interessiert bist, schau doch mal auf unsere Webseite (www.eibenheim.eu) und falls du das Gefühl hast, dass bei dir noch Fragen im Raum stehen, zu deren Beantwortung du dir Unterstützung von jemandem mit dem entsprechenden Wissen und der Erfahrung wünschst, dann melde dich gern bei uns! Falls du Telegram hast, kannst du auch mal auf unserem Kanal „Eibenheim“ vorbeischauen – dort zeigen wir dir gerade Schritt für Schritt die Entstehung unseres Hauses, welches wir komplett selbst gebaut haben.

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