Heute möchte ich mal ein wenig über uns, Christoph und Yella aus Ungarn, berichten – zwei „Normalos“, die vor 14 Jahren auszogen, um das „Leben auf dem Lande“ zu erproben. Vielleicht inspiriert es dich oder macht sogar etwas Mut, da unsere Geschichte zeigt, dass wirklich JEDER diesen Schritt gehen kann, wenn er es denn will.
Wir leben seit 2008/2009 auf unserem Familienlandsitz namens „Eibenheim“ im schönen, sanft hügeligen Westen Ungarns. Hier durften wir seitdem eine Fülle an Erfahrungen in diversen Bereichen des selbstbestimmten Lebens sammeln. Angefangen bei den klassischen Themen des Selbstversorgers, wie Gartenbau und Kleintierhaltung, über spezifische Themen wie der Bau des eigenen Hauses, Ofenbau etc., bis hin zu Grundlagenthemen wie die selbstbestimmte Gesundheit und ein lebbares Miteinander.
Ja… nun sitze ich hier und frage mich, wie fange ich an? WO fange ich an? Vielleicht einfach mal ganz am Anfang, der Rest ergibt sich dann schon. 😊 Ich, Yella, bin nach einem mehr oder weniger normalen Leben in Deutschland – die Kurzfassung „Schule, Studium, Berufsleben“ ist so knapp wie langweilig, bringt es aber auf den Punkt – im Jahr 2009 nach Ungarn ausgewandert und lebe seitdem mit meinem Mann Christoph auf unserem Familienlandsitz. Wir haben uns aus unterschiedlichen Gründen für diesen Schritt entschieden - während Christoph schon immer den Traum vom eigenen Stück Land und dem eigenhändigen Bau seines Hauses hegte und diesen Traum in den Anastasia-Büchern dann zu 100% bestätigt fand, brachte mich der Einstieg in die Arbeitswelt dazu, einmal ernsthaft über den Lauf der Welt nachzudenken: Kann es der Sinn des Lebens sein, den ganzen Tag Dinge für „das System“ zu verrichten und dafür im Austausch gerade einmal so viel Geld zu bekommen, dass man davon essen, wohnen und das Benzin zahlen kann, das man braucht, um zur Arbeitsstätte zu fahren? Nein, MEIN Sinn des Lebens war das nicht. Ich begann also, mich nach Alternativen umzuschauen. Christoph lernte ich ganz „neu-romantisch“ übers Internet kennen, er war damals schon in Ungarn und ging die ersten Schritte auf dem Familienlandsitz. Durch ihn lernte ich die Idee der Familienlandsitz-Siedlungen kennen und das Modell des Freiraums auf dem eigenen Hektar, eingebettet in einer Nachbarschaft von Gleichgesinnten, gefiel mir sehr. So kam es, dass ich meine Siebensachen packte und zu ihm nach Ungarn zog. Was hatte ich schon zu verlieren? Meine Wohnung, meine Arbeitsstelle? Das findet man alles wieder, wenn es sein muss – der Schritt zurück in die Gesellschaft ist immer möglich. Im Gegenteil, hätte ich diesen Schritt damals nicht gewagt, hätte ich wahrscheinlich etwas viel Wertvolleres verloren – nämlich mich. Klingt dramatisch, ist aber so. 😉 Ich hatte das große Glück, dabei die volle Unterstützung meiner Familie zu haben. Das empfand ich als sehr wertvoll, denn die Angehörigen desjenigen der auswandert, werden in jedem Fall auch immer mitgefordert. Bis heute ist dies zwar der einzige Wermutstropfen an unserem Dasein in Ungarn – die große Entfernung zu unseren Familien – die vielen anderen Vorteile unseres Lebensentwurfes wiegen das aber mehr als auf.
So kam es, dass ich nach ein paar Monaten Zusammenpacken, Kündigen und Aufräumarbeiten auf jeder Ebene zu Christoph nach Ungarn zog, der damals schon ein Jahr lang dort lebte.
Da standen wir nun auf unserem Hektar, der Herr Lehrer und die Frau Ernährungswissenschaftlerin, zwei Stadtmäuse, die das Leben auf dem Lande bisher nur aus Heimatfilmen, Wochenendausflügen und Urlaub auf dem Bauernhof kannten. Dass Kühe nicht lila sind, wussten wir zwar schon, aber von Gartenbau, Landschaftspflege und Tierhaltung über Hund und Katze hinaus – geschweige denn Hausbau - hatten wir bisher nicht viel gelernt, denn das alles sind ja leider keine Unterrichtsfächer in der Schule. Unser Start war also ein einziges „learning by doing“ – die wahrscheinlich meistgenutzten Wörter in den ersten drei Jahren auf unserem Familienlandsitz. Beim Thema `Freilernen` denkt man zu allererst immer an Kinder, die nicht zur Schule gehen. Tatsächlich betrifft das aber jeden Menschen sein ganzes Leben lang. Ein Leben, in welchem du dir als Erwachsener selbst aussuchen kannst, was du machen möchtest und was nicht, kitzelt ganz neue Fähigkeiten und Interessen aus dir heraus. Zum einen bekommt altes, in der Schule noch „per Lern-Bulimie in den Kopf geklopptes“ Wissen eine ganz neue Bedeutung – Christoph hat während des Hausbaus beispielsweise mit Leichtigkeit diverse mathematische Formeln für Berechnungen rund ums Fachwerk angewendet, mit denen er sich als Schüler quälend herumgeschlagen hat – und zum anderen entdeckst du viele neue Talente an dir, die im „normalen“ gesellschaftlichen Leben gar nicht zum Vorschein gekommen wären. Wer die Innererde-Bücher von Christa Laib-Jasinski kennt, der hat von den „Phasen“ der innerirdischen Menschen gelesen. Dabei handelt es sich um ein brennendes Interesse für ein Thema, das ganz plötzlich aufkommt und so richtig ausgelebt wird, bis sich das Interesse etwas anderem zuwendet. Diese Erfahrung durften wir auch machen. Damit das passieren kann, braucht es aber die Muße, um sich selbst spüren zu können, braucht die Seele den Raum, sich entfalten zu können und es braucht genügend selbstbestimmt einteilbare Zeit, damit du deine „Phase“ überhaupt ausleben kannst. Mit dem Erleben dieser Phasen fällt auch nach und nach der typisch preußische Glaubenssatz von „man muss sich mal für was entscheiden und dann die Dinge auch voll durchziehen“ weg, also die Erwartung, nicht so sprunghaft von einem Interesse ins nächste zu hüpfen. Natürlich gibt es hier den großen Unterschied zwischen einer oberflächlichen, eher chaotischen Suche zum Ausmerzen einer diffus wahrgenommenen Unerfülltheit und dem wirklichen Durchleben einer Phase in ihrer ganzen Intensität. Unsere ureigene Natur als Menschen ist die natürliche Neugier. Ja, es gibt Dinge, die wir alle unser ganzes Leben lang gern machen - bei mir ist es zum Beispiel das Nähen, wofür ich schon sehr lange sehr konstant brenne - die menschliche Natur gleicht aber eher der des Kindes, das sich von Moment zu Moment vollkommen von dem fesseln lässt, was das Leben zu bieten hat.
Als eine ursprünglich durch die klassische Schule und Universität gebildete (verbildete?) Person muss ich sagen, dass ich zu Beginn unseres Lebens in Ungarn auch noch immer sehr „Schein-Gläubig“ war – ich glaubte, dass man einen Schein für etwas braucht, um es zu können. Möbel bauen kann nur der Schreiner, Kabel verlegen nur der Elektriker, usw. Diesem Glaubenssatz scheinen vor allem Personen aus D/A/CH anzuhängen, denn mit den Ungarn haben wir damit häufig andere Erfahrungen gemacht. Sie haben vielmehr das Talent zu improvisieren und zu organisieren und vor allem auf den Dörfern gibt es noch immer Menschen, die sich ganz gut selbst helfen können oder zumindest in der Dorfgemeinschaft alles finden, was sie brauchen. Die quasi „weltbilderschütternde“ Erfahrung, dass man als Laie tatsächlich selbst ein bewohnbares Haus bauen kann, verpasste diesem Glaubenssatz dann auch bei mir den Gnadenstoß.
Der Übergang vom alten in das neue Leben war auf vielen Ebenen spannend und teilweise auch holprig. Denn so reizvoll so ein kompletter Neuanfang auch ist, man muss sich bewusst sein, dass man „sich selbst“ immer mitnimmt, seinen Rucksack voller Erfahrungen, die die eigene Persönlichkeit bisher geprägt haben – ich kenne zumindest niemanden, der es geschafft hat, seine Macken zuhause erfolgreich auszusortieren, um dann völlig unbeleckt, wie neugeboren einen Neuanfang im Leben seines Begehrens zu machen. Im Laufe der Jahre haben wir einige Aussteiger kennen gelernt, die mit der Illusion kamen, dass im neuen Leben „alles anders“ sein wird und die sich dann an ihren eigenen Macken aufgerieben haben. Uns geht es bis heute nicht anders – wir verbringen viel Zeit damit, an unseren Macken herum zu schmirgeln, bzw. sie genau zu betrachten. Zum Teil stellt sich dann heraus, dass die vermeintliche Macke in einem selbstbestimmten Leben gar keine ist, sondern tatsächlich ein Talent darstellt und eher vergoldet als weggeschmirgelt gehört. Dazu gehören sämtliche, in der Gesellschaft nicht gern gesehene Eigenschaften, die die ureigene Individualität schützen, wie die natürliche Aggressivität zum Schutz der eigenen Grenzen oder der natürliche Egoismus zum Schutz des eigenen Kräftehaushalts.
Da ein Familienlandsitz in der Regel die Ablenkungen der „Zivilisation“ nicht mehr bietet, wird es schwieriger, vor sich selbst wegzulaufen. Natürlich kann man sich auch auf einem Familienlandsitz ein „Öko-Hamsterrad“ kreieren – dafür braucht es genauer gesagt nicht mehr als den eigenen Kopf – in welchem man sich selbst auf Trab hält und damit von der Konfrontation mit sich selbst abhält. Unserer Erfahrung nach fallen Konstrukte dieser Art aber früher oder später in sich zusammen und dann beginnt das „richtige“ Leben mit all seinen Höhen und Tiefen, die in ihrer vollen Intensität gefühlt werden wollen. 😊
In diesem Sinne ende ich für heute. Wenn du mehr über unser Leben in Ungarn erfahren möchtest, dann schau doch mal vorbei auf unserer Webseite (www.eibenheim.eu) – dort teilen wir im Blog schon viele Erfahrungen mit dir und falls du darüber hinaus das Gefühl hast, dass bei dir noch Fragen im Raum stehen, zu deren Beantwortung du dir Unterstützung von jemandem mit dem entsprechenden Wissen und der Erfahrung wünschst, dann melde dich gern bei uns! Falls du telegram hast, kannst du auch mal auf unserem Kanal „Eibenheim“ vorbeischauen – dort zeigen wir dir unter anderem Schritt für Schritt die Entstehung unseres Hauses, welches wir komplett selbst gebaut haben.
Unser Verein Eibenheim fördert die freudvolle Erschaffung und Gestaltung von Lebensräumen zur Entfaltung der individuellen Fähigkeiten und Talente auf allen Ebenen des Mensch-Seins.